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Es ist bloß ein verrutschtes Komma, doch plötzlich kostet der Fernseher nur noch ein Zehntel. Ist Ihnen ein solcher Preisfehler auch schon einmal unterlaufen? Immer wieder fragen sich Online-Händlerinnen und Online-Händler, wie sie auf Bestellungen mit falscher Preisauszeichnung reagieren sollen.
Kaufland.de fasst in Zusammenarbeit mit Trusted Shops daher in diesem Rechtstipp die wichtigsten Fakten zusammen und klärt die Fragen: Ist der falsche Preis überhaupt verbindlich und müssen Sie die Ware liefern?
1. Ist bereits ein Vertrag zustande gekommen?
Auch im Online-Handel gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit, d. h. es steht Ihnen frei, ob und mit wem Sie einen Vertrag schließen möchten. Ist noch kein Vertrag zustande gekommen, können Sie das mit der Bestellung einhergehende Angebot ablehnen.
Wann ein Vertrag zustande gekommen ist, richtet sich nach der Vertragsschlussregelung in Ihren AGB. Allerdings besteht je nach Zahlungsart in zeitlicher Hinsicht kaum Spielraum. Dies wirkt sich insbesondere bei den Zahlungsmitteln aus, die eine sofortige Zahlung ermöglichen (wie z. B. PayPal, Paydirekt oder Sofortüberweisung). Hier kommt der Vertrag bereits durch Einleitung der Zahlungstransaktion zustande.
Mit dem Rechtstexter von Trusted Shops lassen sich AGB individuell für Ihren Online-Shop bei Kaufland.de erstellen.
2. „Stornierung“ der Bestellung?
Einmal geschlossene Verträge sind grundsätzlich einzuhalten, d. h. Sie können nicht ohne Weiteres vom Vertrag zurücktreten oder die Bestellung stornieren. Ein mit dem Widerrufsrecht des Verbrauchers vergleichbares Recht steht Ihnen nicht zu.
3. Anfechtung des Vertrages möglich?
Eine Anfechtung führt dazu, dass ein bereits geschlossener Vertrag von Anfang an als nichtig anzusehen ist.
Nach § 119 Abs. 1 BGB kann eine Willenserklärung anfechten, wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war (Inhaltsirrtum) oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte (Erklärungsirrtum), wenn anzunehmen ist, dass die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben worden wäre. Ein Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum) wie etwa eine fehlerhafte Preiskalkulation berechtigt Sie hingegen nicht zur Anfechtung.
Werden in einem Online-Shop falsch ausgezeichnete Preise angezeigt, weil diese von Ihnen oder von Ihren Angestellten falsch angegeben wurden oder ein technischer Fehler vorliegt, so können Sie einen bereits geschlossenen Vertrag anfechten. Allerdings müssen Sie im Zweifel beweisen und vor Gericht darlegen können, dass der Preisfehler tatsächlich während der Erklärungshandlung, also der Eingabe des Preises oder aber der Datenübermittlung, geschehen ist (OLG Düsseldorf, Urteil v. 19.5.2016 – I-16 U 72/15; AG Bremen, Urteil v. 05.12.2012, 23 C 0317/12).
Auch die Gerichte haben sich bereits mit Anfechtungsfällen beschäftigt:
- Ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum wurde etwa bei einer Formeländerung in der Software durch den Provider angenommen, die letztlich bewirkte, dass bei in ursprünglich korrekt erfassten Beträgen die Kommastelle nach vorne verschoben wurde (OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 20.11.2002, 9 U 94/02).
- Bereits 2005 ließ der BGH die Anfechtung eines Kaufvertrages aufgrund eines Übermittlungsfehlers in die Produktdatenbank zu, der dazu führte, dass der Kaufpreis bei weniger als einem Zehntel des ursprünglichen Betrages lag (BGH, Urteil v. 26.01.2005, VIII ZR 79/04).
- Auch wenn ein werthaltiger Gegenstand versehentlich statt mit einer Auktion für einen Sofort-Kaufen-Preis von 1 Euro bei eBay eingestellt wird, kann von einem Erklärungsirrtum ausgegangen werden (OLG Frankfurt a. M., Hinweisbeschl. v. 14.05.2020 – 6 U 155/19; LG Köln, Urteil v. 30.11.2010, 18 O 150/10 zu einem Whirlpool; ebenso AG Bremen, Urteil v. 25.05.2007, 9 C 142/07).
- Ein Eingabefehler, der eine nicht vorhergesehene doppelte Preisrabattierung bei Reiseangeboten zur Folge hatte, stellt ebenso einen Erklärungsirrtum dar (AG Frankfurt a. M., Urteil v. 28.02.2019, 30 C 1714/18 (71)). Bei diesem Fall war der Fehler zwar aufgefallen, wurde aber nicht für sämtliche Produktlinien behoben, sodass es sich nach Auffassung des Gerichts nicht um einen Kalkulationsfehler, sondern um einen Eingabefehler handelte, der durch den Mitarbeiter letztlich nicht vollständig beseitigt worden ist.
II. Richtig anfechten bei Preisfehlern
Eine Anfechtungserklärung muss eindeutig erkennen lassen, dass das Rechtsgeschäft wegen eines Fehlers beseitigt werden soll. Werden parallel zur Mitteilung des Preisirrtums Nachverhandlungen über den Preis begonnen, wird nicht hinreichend deutlich, dass eine gänzliche Lösung von dem Rechtsgeschäft beabsichtigt ist, sodass keine Anfechtungserklärung vorliegt (so LG Berlin, Urteil v. 21.05.2012, 52 S 140/11).
Darüber hinaus ist es empfehlenswert, das Wort Anfechtung ausdrücklich zu verwenden. Begriffe wie Widerruf oder Rücktritt werden umgangssprachlich zwar synonym verwendet, meinen juristisch aber etwas anderes.
1. Schnelles Handeln geboten!
Die Anfechtung muss ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem Sie von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt haben. Die Länge der angemessenen Frist richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Für das AG Hamburg-Barmbek war jedenfalls im Falle eines großen Unternehmens eine Frist von 10 Tagen zu lang, das LG München sah 14 Tage noch als unverzüglich an (LG Berlin, Urteil v. 20.07.2004, Az. 4 O 293/04; AG Hamburg-Barmbek, Urteil v. 03.12.2003, 811B C 61/03).
Es ist deshalb empfehlenswert, die eingegangenen Bestellungen regelmäßig im Seller Portal zu überprüfen und zu verwalten. Nur so können etwaige Fehler erkannt und behoben werden.
2. Konsequenzen: Schadensersatzpflicht des Anfechtenden
Derjenige, der den Kaufvertrag wegen Irrtums anficht, muss Schadensersatz leisten (§ 122 Abs. 1 BGB). Zu ersetzen ist der sog. Vertrauensschaden, d. h. die geschädigte Person ist wirtschaftlich so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn sie nicht auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hätte.
Die Obergrenze der Ersatzpflicht bildet dabei das Erfüllungsinteresse. Dies bedeutet, dass die geschädigte Person durch den Schadensersatz nicht bessergestellt werden soll, als wenn der Vertrag wirksam gewesen wäre. Die Höhe des Schadens muss von der bzw. dem Geschädigten nachgewiesen werden.
⇒Beispiel
Der Marktpreis für ein Smartphone liegt bei 700 Euro, in einem Online-Shop wird es versehentlich für 350 Euro angeboten. Der Verbraucher bestellt das Smartphone. Einige Tage später wird das Smartphone im Rahmen einer Werbeaktion in einem Elektronikmarkt für 630 Euro angeboten. Da der Verbraucher auf die Gültigkeit des Vertrages vertraut, kauft er dieses Smartphone nicht.
Wenn der Vertrag jedoch zwischenzeitlich wirksam angefochten wurde und das Angebot des Elektronikmarktes nicht mehr besteht, hätte der Verbraucher einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens von 70 Euro gehabt, nämlich die Differenz der günstigeren Werbeaktion zum Marktpreis.
3. Letzte Chance: Der Grundsatz von Treu und Glauben
Kann der Vertrag nicht angefochten werden, so sind die Ansprüche der Kundschaft dennoch unter Umständen nicht durchsetzbar. Dies ist dann der Fall, wenn in der Durchsetzung eine unzulässige Rechtsausübung liegen würde (§ 242 BGB).
Dies ist jedoch nicht bereits dann gegeben, wenn das Produkt besonders günstig ist oder die Kundschaft um die fehlerhafte Preisangabe weiß. Es bedarf darüber hinaus der Feststellung, dass das Festhalten an dem Vertrag für die irrende Vertragspartei schlechthin unzumutbar ist und auch die diesbezüglichen Umstände für den anderen Teil erkennbar sind.
Einen solchen Verstoß gegen Treu und Glauben sah das OLG Düsseldorf für den Fall als gegeben an, dass Generatoren, welche einen Marktpreis von über 3.000 Euro hatten, für 24 Euro zum Verkauf angeboten wurden (OLG Düsseldorf, Urteil v. 19.05.2016, I-16 U 72/15). Der Käufer, ebenfalls ein Unternehmer, hatte kein eigenes Interesse an den Generatoren, erkannte aber den falschen Preis und wollte die Generatoren erwerben und dann mit großem Gewinn weiterveräußern.
Auch das AG Dortmund hat entschieden, dass eine falsche Preisauszeichnung von Markisen für 29,90 statt 2.990,00 Euro, nicht zur Lieferung verpflichte, da in dem Ausnutzen des Preisfehlers ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege (AG Dortmund, Urteil v. 21.02.2017, 425 C 9322/16).
III. Unser Tipp
Ein Vertrag zu einem falschen Preis ist schnell geschlossen – gerade im Online-Handel können kleine Tippfehler große Auswirkungen haben. Beruht der Preisfehler auf einer falschen Eingabe oder einem technischen Fehler, sollten Sie den Vertrag unverzüglich anfechten. Achten Sie dabei auf eine klare Formulierung und vermeiden Sie in jedem Fall Nachverhandlungen. Zu der Frage, ob und wie eine Anfechtung des Vertrages möglich ist, existieren viele, nicht immer einheitliche Gerichtsentscheidungen, sodass es hier auf den jeweiligen Einzelfall ankommt.
Selbst wenn keine Anfechtung möglich sein sollte, kann der Vertrag dennoch gegen Treu und Glauben verstoßen. Dies bedarf aber besonderer Umstände, das bloße Wissen um den fehlerhaften Preis genügt hier nicht.
Schulen Sie daher Ihren Kundenservice, damit dieser im Falle des Falles auch richtig reagieren kann.